Wissenschaftliche Untersuchungen –
RCT als Problem bei Sucht- und psychiatrischen Patienten
Die Ergebnisse zahlreicher wissenschaftlicher Studien, z.T. randomisiert, single-blinded, z.T mit großen Patientenzahlen zur Effektivität von Akupunktur in der Suchtbehandlung, sind bis heute inkonsistent.
Es gibt viele Studien und Analysen, die einen deutlichen Effekt des „NADA Protokolls“ in Bezug auf die klinische Gesundung von Suchtpatienten zeigen (z.B.: 1, 3, 5, 6, 7, 13, 15, 16). Und es gibt Vergleichsstudien zwischen "Verum-Akupunktur“ und „Sham-Akupunktur“ („Placebo“) in der Suchtbehandlung, die keinen signifikanten Unterschied in der Wirksamkeit beider Protokolle (8) zeigen.
Neuerdings beschäftigen sich Studien mit der Wirksamkeit des NADA Protokolls bei allgemein psychiatrischen Erkrankungen (4, 10).
Das Hauptproblem besteht im Studiendesign.
Die Therapie mit Ohrakupunktur/pressur – zumal bei Sucht- und psychiatrischen Patienten – verläuft immer anders als etwa eine Medikamentenbehandlung:
- Der Beziehungsaspekt spielt eine große Rolle und ist daher kaum doppelt zu verblinden.
- Die Einstellung des Behandlers zum Patienten, seine gegenwärtige innere Haltung, seine eigene Verfassung, was im Augenblick der Behandlung in ihm vorgeht, all das spielt eine Rolle, ähnlich wie in der Psychotherapie.
Bei der Akupunktur regt nicht nur die Nadel, sondern auch die Beziehung von einem Menschen zum anderen den Heilungsprozess an. Ob ein schwieriger, ambivalenter Patient morgen wiederkommt oder „aussteigt“ („Akupunktur hilft mir nicht“, „Akupunktur hat mir wehgetan“), hängt sehr stark von Faktoren der verbalen und non-verbalen Interaktion zwischen beiden ab. Respekt, Freundlichkeit, Ernsthaftigkeit, Geschick, gewissermaßen das „gute Benehmen“ der Therapeutin/des Therapeuten spielen eine überragende Rolle bei psychiatrischen PatientInnen, bei schwierigen, ambivalenten PatientInnen, bei SuchtpatientInnen, die oft viele Behandlungsversuche hinter sich haben, immer wieder gescheitert sind, bei fast allen Therapien eine niedrige Compliance zeigen, es sei denn, sie erhalten ihren Suchtstoff (z.B. Heroin- oder Methadonbehandlung).
In einer Studie, in der der Therapeut bewusst „Sham-Akupunktur“ durchführen muss, wird mehr am Behandlungssetting geändert als nur die Punktlokalisation. Es ändert sich z.B. die „innere Einstellung“ des „Therapeuten“ zu seiner Therapie und zu seinem „Forschungsobjekt“. Man könnte sagen, dass die Behandlungsmoral in einer ernstgemeinten Behandlung anders ist als bei einem Forschungsvorhaben mit vielen Vorgaben und Standardisierungen.
Eine sinnvolle Studie könnte darin bestehen, eine Suchthilfeeinrichtung (z.B. im Alkoholentzug) oder eine psychiatrische Klinik, die z.B. das „NADA Protokoll“ in ihre Entzugs- und Reha-Behandlung neben anderen Therapieelementen integriert haben, über einen längeren Zeitraum zu vergleichen, die ohne das NADA Protokoll arbeiten. Interessant wäre dann, wie gut der „clinical outcome“ ist, wie lange das rezidivfreie Intervall ist, die Haltequote im Programm. Bisher allerdings überwiegen Studien, die wissen wollen, ob der Nadelstich an sich überhaupt eine Wirkung hat.
Artikel und Studien / Literatur
- Avants SK, Margolin A, Holford Th, Kosten ThR. A randomized controlled trial of auricular acupuncture for cocaine dependence. Arch. Intern. Med. 2000; 160: 2305-2312
- Baudis R, ed. Punkte der Wandlung – Suchtakupunktur nach dem NADA Protokoll. Rudersberg:Verlag für Psychologie, Sozialarbeit und Sucht; 1999
- Berman AH. Ear acupuncture as a complementary treatment for drug abuse; a controlled study of the NADA Acudetox method in prison. Stockholm: Swedish Prison and Probation Administration; 1999
- Berman AH, Lundberg U. Auricular acupuncture in prison psychiatric units: a pilot study Acta Psychiatr Scand. 2002; 106:152-157
- Bier IA, Wilson J, Studt P, Shakleton M. Auricular acupuncture, education and smoking cessation: A randomized, sham-controlled Trial. Am. J. Public Health 2002; 92:1642-1647
- Buhk H, Busch W, Feldkamp J, Koch U. Ergebnisse einer Studie zur ambulanten Akupunkturbehandlung von alkohol- und medikamentenabhängigen Klienten in einer Beratungsstelle. Suchttherapie 2001; 2:35- 44
- Bullock M, Culliton P, Olander R. Controlled trial of acupuncture for severe recidivist alcoholism. Lancet 1989; 1: 1435-1439
- Bullock M, Kiresuk T, Sherman R, et al. A large randomized placebo controlled study of auricular acupuncture for alcohol dependence. J. Substance Abuse Treatment 2002; 22:71-77
- Marx HG. Medikamentenfreie Entgiftung von Suchtkranken. Bericht über den Einsatz von Akupunktur. Suchtgefahren 1984; 30-34
- Payer K, Ots T, Marktl G, Pfeifer F, Lehofer M. PatientInnenzufriedenheit mit der NADA-Ohrakupunktur auf einer psychiatrischen Station. Dt. Ztschr. f. Akup. 2007; 50,2:10-13
- Raben R.: Akupunktur in der Behandlung drogenabhängiger Schwangerer. Dt. Ztschr. f. Akup. 1998; 41, 2: 38-42
- Raben R.: Einführung in die Ohrakupunktur nach dem NADA Protokoll. In: Baudis R, ed. Punkte der Wandlung – Suchtakupunktur nach dem NADA Protokoll. Rudersberg: Verlag für Psychologie, Sozialarbeit und Sucht; 1999: 16-37
- Shwartz M, Saitz R, Mulvey K, Brannigan P. The value of acupuncture detoxification programs in a substance abuse treatment system. J. Substance Abuse Treatment 1999; 17: 305-312
- Smith MO. Acupuncture treatment for crack: clinical survey of 1.500 patients treated. Am. J. Acup. 1988; 16: 241-247
- Smith MO, Khan I. An Acupuncture Programme for the Treatment of Drug-addicted Persons. Bulletin on Narcotics 1988; 40,1: 35-41
- Wen H, Cheung S. Treatment of drug addiction by acupuncture and electrical stimulation. Asian Journal of Medicine 1973; 9: 138-141
Weitere Artikel und Studien:
- Raben R. Akupunktur nach dem NADA-Protokoll – Eine Übersicht zur Sucht-Therapie. Dt. Ztschr. f. Akup. 2004; 47,2:35-40
- Raben R. Erste Erfahrungen mit Akupunkturbehandlung bei Drogenabhängigen im deutschen Strafvollzug. Dt. Ztschr. f. Akup. 2001; 44,4:294-296
- Verthein U, Raben R. Ambulante Suchtakupunktur nach dem NADA-Protokoll – Eine Verlaufsuntersuchung. Dt. Ztschr. f. Akup. 2000; 43,2:108-112
- Strauß K, Weidig W (Hrsg.). Akupunktur in der Suchtmedizin. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Hippokrates; 1997